Law

Klaus Ferdinand Gärditz

Strafanklageverbrauch im Wiederaufnahmeverfahren bei propter nova – Verfassungsrechtsprechung im Schatten historischen Strafprozessrechts

BVerfG, Urteil v. 31. 10. 2023 – 2 BvR 900/22

Section: Anmerkungen: Verfassungsrecht. Strafprozessrecht
JuristenZeitung (JZ)

Volume 79 () / Issue 3, pp. 96-101 (6)
Published 26.01.2024

7,20 € including VAT
article PDF
Der Zweite Senat des BVerfG hat den Ende 2021 neu eingefügten § 362 Nr. 5 StPO für unvereinbar mit Art. 103 Abs. 3 GG erklärt. Die Regelung hatte einen neuen Wiederaufnahmegrund zuungunsten Freigesprochener geschaffen, um bei bestimmten besonders schweren Straftaten eine Wiederaufnahme auch beim nachträglichen Auffinden neuer Beweismittel (propter nova) zu ermöglichen. Das Urteil deutet mit der herrschenden Auffassung Art. 103 Abs. 3 GG als abwägungsfest und keiner Relativierung durch Belange materialer Gerechtigkeit zugänglich. Klaus Ferdinand Gärditz hält eine andere Bewertung zumindest für möglich und kritisiert die Begründung, die ohne Not unzureichend reflektierte Ausflüge in die verfassungsrechtliche Strukturierung des Strafprozessrechts im Allgemeinen unternehme. Anette Grünewald (unten S. 101) stimmt der Entscheidung im Ergebnis zu, da § 362 Nr. 5 StPO sich nicht in das System der nachteiligen Wiederaufnahmegründe integrieren lasse, und weist auf die problematische Konzeption des Mordtatbestandes hin, der bei dessen Einführung im Zentrum stand.
Authors/Editors

Klaus Ferdinand Gärditz ist Professor für Öffentliches Recht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Richter am Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Nebenamt und stellvertretender Richter am Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen.