Was bedeutete Fluchen für die Menschen in der antiken Welt? Und welche Rolle spielte in diesem Zusammenhang das geschriebene Wort? Die Beiträge dieses Sammelbands nehmen erstmals die antiken Fluchtafeln ( defixiones) großflächig aus exegetischer Sicht in den Blick und ziehen sie in produktiver Weise zur Interpretation neutestamentlicher Texte heran.
Fluchen ist in der antiken Welt ein Alltagsphänomen. Dabei setzten antike Menschen für Flüche, die besonders wirksam sein sollten, auf das geschriebene Wort. Vielhundertfach haben sich entsprechende Fluchtafeln (
defixiones) auf Blei und anderen Schriftträgern erhalten. Die Texte erlauben einen faszinierenden Einblick in eine dunkle Welt des antiken Alltags, in den Umgang mit Konkurrenzsituationen aller Art und in erlittene Unrechtserfahrungen. In diesen Texten lassen antike Menschen der Befriedigung ihrer Bedürfnisse und dem Wunsch nach Rache unter Rückgriff auf übermenschliche Mächte freien Lauf. Nicht selten wünschen sie ihrem Gegenüber dabei den Tod an den Hals. Die Beiträge in diesem Band nehmen die antiken
defixiones erstmals großflächig aus exegetischer Sicht in den Blick und ziehen sie in produktiver Weise zur Interpretation neutestamentlicher Texte heran.
Inhaltsübersicht:
Michael Hölscher/Markus Lau/Susanne Luther:defixiones und das Neue Testament: Definitionen - Realien - Problemfelder
1. Antike Fluchtafeln und das Neue Testament: Übergreifende Aspekte
Marco Frenschkowski: Fluchkultur. Mündliche Flüche, das
Corpus defixionum und spätantike Sichtweisen performativer Sprache -
Paul Foster: British Curse Tablets and Their Implications for the Study of the New Testament and Early Christianity -
Alison Cleverley: Cursing as Ritual Communication in the Mainz Tablets, and Thinking with the New Testament -
Giovanni Bazzana: Do Not Worry about How You Are to Defend Yourselves. Judicial Curses, Risk in Trials, and the Early Christians as Freelance Religious Experts -
Markus Lau: Brückenschläge. Gebete um Gerechtigkeit und das Neue Testament. Eine Skizze
2. Fluch und Schadenzauber im Umfeld des Neuen Testaments: Vom Alten Orient bis in die frühchristliche Zeit
Sebastian Grätz: Flüche und Schadenszauber im Alten Orient und Alten Testament -
Simone Paganini: Fluch (und Segen) in der Qumran-Literatur -
Peter Arzt-Grabner: Griechisch-römische Fluchtäfelchen als Zeugnisse antiker Magie. Befund und neue Funde -
Sara Chiarini: Early Christianity and Cursing Rituals -
Bert Jan Lietaert Peerbolte: Der Name Jesu als magischer Angriff im frühen Christentum -
Stephan Witetschek: Absturz und Knochenbruch. Mentalitätsgeschichtliches zu den Petrusakten und antikem Schadenszauber
3. Fluchtraditionen und Bindeformeln in den Texten des Neuen Testaments
Bernhard Heininger: Die Bitte um Gerechtigkeit und die Kritik der Gegenseitigkeit. »Feindesliebe« (Lk 6'27-35) im Kontext antiker Fluchtafeln -
Joseph E. Sanzo: Curses, Exorcisms, and Monetary Improprieties. Reassessing 'Magic' in the Acts of the Apostles -
Stefan Schreiber: Von Zauberprofis und Bindungen. Antike Fluchtafeln und ihre Spiegelungen in der Apostelgeschichte -
Thomas Schumacher: Feurige Kohlen und die Macht der Feindesliebe. Überlegungen zum Fluchmotiv in Röm 12,14-21 -
John S. Kloppenborg: Cursing in the Corinthian Christ Assembly -
Peter Busch: Christlich korrekt verfluchen in Korinth. 1 Kor 5 und die »Gebete um Gerechtigkeit« -
Susanne Luther: Neutestamentliche »Bindeformeln«? Eine Spurensuche in der paulinischen Korintherbriefkorrespondenz -
Konrad Huber: Verhext - verflucht - am Leib gezeichnet. Aspekte von Magie im Galaterbrief? -
Michael Hölscher: »Und er band ihn für tausend Jahre«.
defixiones und die Charakterisierung des Satans in Offb 20