Moisés Mayordomo untersucht mit den Mitteln antiker aristotelischer und stoischer Logik die logische Schlüssigkeit paulinischer Argumentationsgänge. Dabei erweist die exegetische und formallogische Analyse von 1Kor 15,12-19, Gal 3,6-14 und Röm 1,18-3,20 ein vielfältiges Bild im Hinblick auf das Problem logischer Stringenz.
Jeder Versuch, Paulus zu verstehen, ist auch um einen Nachvollzug der zum Teil ebenso verwirrenden wie verworrenen Gedankengänge des Juden aus Tarsus bemüht. Wie jeder Mensch, der argumentiert und Folgerungen zieht, wirft auch Paulus die Frage auf, wie sich seine Argumente zur Logik verhalten. Sind sie als schlüssig einsichtig zu machen oder bewegen sie sich außerhalb der Strukturen rationalen Redens? Moisés Mayordomo geht dieser Frage auf der Grundlage antiker Logik nach. Er bietet zunächst einen Überblick über dieses faszinierende philosophische Gebiet und analysiert dann drei Argumentationsgänge exegetisch und logisch: die Auseinandersetzung mit der Auferstehungsleugnung in 1Kor 15,12-19, die Verhältnisbestimmung von Abrahamsbund und Rechtfertigung in Gal 3,6-14 und die Darlegung der Fol(gerun)gen menschlicher Schuld in Röm 1,18-3,20. Dabei stellt sich heraus, dass die Rolle logischer Stringenz bei Paulus unterschiedlich ausgeprägt ist. Neben dem methodischen Ertrag im Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen formallogischer Textanalyse leistet dieses Buch einen Beitrag zum Verstehen der theologischen Leistung des Apostels und nimmt zugleich den Dialog zwischen Theologie und Logik erneut auf.
Inhaltsübersicht:
I.HinführungA. Paulus zwischen
obscuritas und
claritas1. »Fremd und widerspruchsvoll«: Paulinische
obscuritas2. »Einfach und klar«: Paulinische
claritasB. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese
1. Theologie und Logik - Szenen einer (geschiedenen) Ehe
2. Grundlegende Prinzipien der Logik
3. Konsequenzen für die Exegese
4. Exkurs: Zum Status der Frage, ob Paulus logisch geschult war
II. Antike Logik im ÜberblickA. Allgemeine Probleme
1. Die Quellenlage
2. Zur Terminologie
3. Die beiden Logiksysteme
4. Sprachtheoretische Grundlegung: Die wahrheitsdefinite Aussage
B. Die aristotelische Termlogik
1. Weitere sprachtheoretische Überlegungen
a) Die logisch relevanten Modi des Aussagesatzes
b) Die logisch relevanten Formen des Gegensatzes
2. Der »Schluss«
(syllogismós)3. Logik in der Wissenschaft: Die Analytik (Syllogistik)
a) Der syllogistische Schluss
b) Die Schlussfiguren
c) Exkurs: Die Induktion als »zweite Form« des Wissens
4. Logik in der Diskussion: Die Dialektik (Topik)
a) Vorüberlegungen
b) Die vier Prädikatsklassen
c) Die vier Werkzeuge (
Top. I 13-18)
d) Würdigung
5. Logik in der Rede: Das »Enthymem« (Rhetorik)
a) Logik als rhetorisches Überzeugungsmittel
b) Was ist ein Enthymem?
c) Die vier Arten des Enthymems
6. Theophrast und das Erbe der aristotelischen Logik
7. Exkurs: Die Schriften des Aristoteles und das »Organon«
C. Die stoische Aussagenlogik
1. Die Logik Chrysipps
a) Weitere sprachphilosophische Überlegungen
b) Die Argumentations- und Schlusslehre
2. Historische Beziehungen und Auswirkungen stoischer Logik
III. Analyse paulinischer TexteA. Vorfragen: Textwahl und logische Analyseschritte
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12-19)
1. Exegetische Vorfragen
a) Rhetorik und Gliederung von 1Kor 15
b) Der literarische Kontext (15,1-11)
c) Die Streitfrage
2. Exegetische Anmerkungen
3. Logische Analyse
a) Auslegungs- und forschungsgeschichtliche Perspektiven
b) Die Umkehrung der Implikation als Fehlschluss
c) Textabgrenzung und Bestimmung logisch relevanter Sätze
d) Versuch einer termlogischen Analyse
e) Aussagenlogische Struktur und Prüfung der Gültigkeit
f) Fazit
4. Exkurs: Fragen aufgrund der Topik
5. Exkurs: Weitere Beispiele für »modus tollens« in den Paulusbriefen
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6-14)
1. Exegetische Vorfragen
a) Rhetorik und Gliederung
b) Literarischer Kontext
c) Der Streitpunkt: Das Erbe Abrahams
2. Exegetische Anmerkungen
a) Positive Argumentation: Abraham-Exemplum (3,6-9)
b) Negative Argumentation: Fluch des Gesetzes (3,10-12)
c) Die »Lösung« des Kerygmas (3,13f)
3. Logische Analyse
a) Formalisierung
b) Analyse logischer Gültigkeit
c) Gesamtgedankengang
d) Fazit
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18-3,20)
1. Exegetische Vorfragen
a) Argumentationsziel von 1,18-3,20
b) Literarischer Kontext (Röm 1,1-17)
2. Exegetische Anmerkungen
a) Röm 1,18-32
b) Röm 2,116
c) Röm 2,17-29
d) Röm 3,1-20
3. Logische Analyse
a) Basale semantische Felder in Röm 1,18-3,20
b) Formalisierung und Analyse
c) Fazit
IV. SchlussbetrachtungA. Argumentiert Paulus logisch?
B. Exegetisch-methodischer Ertrag
C. Weiterführender Ausblick
1. Paulus und rabbinische Logik
2. Logik und paulinische Rhetorik
3. Logik und paulinische Theologie
LiteraturverzeichnisA. Quellen 243 B. Nachschlagewerke und NT-Kommentare
C. Philosophisch-logische und rhetorische Literatur
D. Exegetisch-theologische Literatur
RegisterA. Quellen
B. Autoren und Autorinnen
C. Griechische Begriffe
D. Sachen und Namen