Theologie

Gattung Mensch

Interdisziplinäre Perspektiven
Hrsg. v. Peter Dabrock, Ruth Denkhaus u. Stephan Schaede

2010. XIX, 411 Seiten.

Religion und Aufklärung 19

104,00 €
inkl. gesetzl. MwSt.
fadengeheftete Broschur
ISBN 978-3-16-150390-0
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Die Bedeutung der Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung wird in der Bioethik schon seit längerem kontrovers diskutiert. Die Beiträge dieses Bandes nähern sich dem Gattungsbegriff aus der Perspektive von Biologie, Philosophie, Theologie, Recht, Soziologie und Kulturwissenschaften. Verschiedene Spielarten von Gattungsargumenten werden analysiert und auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft.
Die Gattungsbestimmung stellt die Gesellschaft im Kontext biotechnologischer Entwicklungen immer wieder vor neue ethische, rechtliche und soziale Herausforderungen. Scheinbar längst geklärte Probleme tauchen wieder auf, und konsensfähige Annahmen werden brüchig. So hat sich in weiten Teilen der akademischen Bioethik die Auffassung durchgesetzt, dass dem biologischen Menschsein als solchem keine moralische Bedeutung zukommt. Wer demgegenüber an der ethischen Sonderstellung der menschlichen Gattung festhält, verfällt dem Verdikt des »Speziesismus«. Angesichts immer weiterreichender Eingriffsmöglichkeiten in die menschliche Natur ist jedoch auch die gegenläufige Forderung nach einer »gattungsethischen Einbettung der Moral« erhoben worden. Damit ist freilich ein anspruchsvolles Programm verbunden. Denn quer durch alle mit der Gattungsbestimmung befassten Disziplinen ergeben sich spezifische Abgrenzungsschwierigkeiten im Blick auf Gattungsintegrität und
-zugehörigkeit. Zudem wird auf das Gattungsargument je nach Kontext und Disziplin in ganz verschiedenen Spielarten zurückgegriffen: von den klassischen Lebensschutzdebatten über die ethische Bewertung gentechnischer Eingriffe in die menschliche Keimbahn, PID, Stammzellforschung und die Diskussion um eine liberale Eugenik hin bis zur Frage nach der Erzeugung von Inter-Spezies-Hybriden und Chimären.
Der vorliegende Band geht der Gattungsbestimmung aus der Perspektive von Biologie, Philosophie, Recht, Theologie, Soziologie und Kulturwissenschaften nach, um ihre deskriptive und normative Erschließungskraft auf den Prüfstand zu stellen. Was leistet sie innerhalb ethischer Diskurse? Wie kann sie für rechtliche Regelungen bedeutsam werden? Welche Konsequenzen ergeben sich für die genannten Handlungsfelder?
Inhaltsübersicht
Klemens Störtkuhl: Der kleine Unterschied? Die Spezies Homo sapiens aus der Sicht der Biologie – Thomas Potthast: Familien – Gattungen – Spezies. Klassifikationsbegriffe zwischen Biologie, Logik und Ontologie – Stephan Schaede: Herausforderungen theologischer Speciesbestimmungen. Einige unzeitgemäße Sichtungen – Elisabeth List: Menschliche Gattung und menschliche Natur – neue Leitbegriffe für Ethik und Moralphilosophie? – Martin G. Weiss: Die anthropologische Differenz. Mensch und Tier im Denken Martin Heideggers und Giorgio Agambens – Gerald Hartung: Menschliche Natur – Spielraum des Imaginären? – Jörn Ahrens: Menschen und Chimären. Existenzen des Imaginären – Nikolaus Knoepffler: Horrorvision Chimäre? Ethische Überlegungen zu Grenzüberschreitungen zwischen den Gattungen – Manfred Weinberg: »So muss der Mensch mit seinen Gaben / Doch künftig höhern, höhern Ursprung haben.« Die Schriftsteller und »das fröhliche Zeitalter des Menschenmachens« – Peter Dabrock: Leibliche Vernunft. Zu einer Grundkategorie fundamentaltheologischer Bioethik und ihrer Auswirkung auf die Speziesismus-Debatte – Gesa Lindemann: Gesellschaftliche Grenzregime und soziale Differenzierung – Ludwig Siep: Die Bedeutung der menschlichen Gattungszugehörigkeit für eine konkrete Ethik – Wilfried Härle: Alle Menschen sind Personen. Auseinandersetzung mit dem Speziesismusvorwurf – Ruth Denkhaus: »Speziesismus«. Zu den Hintergründen einer folgenreichen Begriffsprägung – Marianne Schark: Zur moralischen Relevanz des Menschseins. Schutzwürdigkeit menschlicher Embryonen aufgrund ihrer Gattungszugehörigkeit? – Markus Rothhaar: Der manipulierbare Embryo. Konsequenzen für das Spezies- und das Potentialitätsargument – Jan C. Joerden: Grund und Grenzen des Menschenwürdearguments im Kontext von Medizinethik und -recht – Steffen Augsberg: Die Würde des Menschen als Gattungswesen. Zur Verrechtlichung des Gattungsargument
Personen

Peter Dabrock ist Professor für Sozialethik an der Universität Marburg und Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer.

Ruth Denkhaus ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Marburg, Fachgebiet Sozialethik/Bioethik.

Stephan Schaede Geboren 1963; 2004–10 Theologischer Referent und ab 2006 Leiter des Arbeitsbereiches Religion, Recht und Kultur der FEST; seit April 2010 Direktor der Evangelischen Akademie Loccum.

Rezensionen

Folgende Rezensionen sind bekannt:

In: Der Staat — 2012, 285–288 (Walter Pauly)
In: Zeitschr.f.Medizinische Ethik — 58 (2012), S. 285–288 (Oliver Müller)
In: FAZ — 29. Dezember 2011, S. 34 (Michael Pawlik)
In: Ethica — 19 (2011), S. 369–371 (Imre Koncsik)
In: Theologische Literaturzeitung — 137 (2012), S. 477–479 (Konrad Hilpert)
In: PV-aktuell (Nachrichten des Pfarrvereins Westf.) — 2011, Nr. 1, S. 8–9 (Karl-F. Wiggermann)