Philosophie

Leibbezogene Seele?

Interdisziplinäre Erkundungen eines kaum noch fassbaren Begriffs
Hrsg. v. Jörg Dierken u. Malte Dominik Krüger

2015. X, 339 Seiten.

Dogmatik in der Moderne 10

69,00 €
inkl. gesetzl. MwSt.
fadengeheftete Broschur
ISBN 978-3-16-153573-4
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Der Begriff der Seele hat in der Moderne seine prominente Stellung eingebüßt. Gleichwohl scheint er gegenüber alternativen Begriffen einen »Mehrwert« zu haben. Dieser Beobachtung und ihrer Deutung gehen die Beiträger dieses Bandes nach.
Der Begriff der Seele hatte bis ins 18. Jahrhundert eine prominente Stellung in naturwissenschaftlichen, religiösen, ästhetischen und metaphysischen Erörterungen des Menschlichen als höchster Stufe des Lebendigen. Diese Stellung hat der Seelenbegriff in der Moderne eingebüßt. Er scheint von Begriffen wie Subjektivität, Personalität und Individualität abgelöst worden zu sein. Gleichwohl scheint dem Begriff der Seele ein symbolischer »Mehrwert« anzuhaften, der sich allerdings einer klaren Fassung entzieht. So wird das Wort »Seele« insbesondere im Kontext der Begriffe der menschlichen Selbstbeschreibung gebraucht: Man spricht von der Seele in lebensweltlichen und bildungssprachlichen, in literarischen, religiösen und ethischen Zusammenhängen. Elementar verknüpft ist mit der Seele die Leiblichkeit des Menschen. Damit kommen medizinische, neurowissenschaftliche und erfahrungsbezogene Einsichten ins Spiel, und die Phänomene des Seelischen verweisen auf soziale Zusammenhänge des intersubjektiven Umgangs. Auch Fragen nach dem Verhältnis des Körperlichen und Mentalen, des Physischen und Psychischen bleiben mit der Rede von der Seele verbunden, und mit der wissenschaftlich anerkannten Differenz von Erster- und Dritter-Person-Perspektive erhebt sich das Problem des Ortes von Eigenleiberleben und seiner deutenden Beschreibung. Diese mehrfach verschränkte Codierung des Begriffs der Seele wirft Fragen auf, denen die Beiträge des Sammelbandes nachgehen. Eine Leitfrage ist dabei: Steht die Rede von der Seele für die präreflexive Selbstgegebenheit der Subjektivität, wie sie sich vorrangig in der Leiberfahrung und (allenfalls?) nachrangig in der Wissenschaftsreflexion ausdrückt?
Inhaltsübersicht
Vorwort Jörg Dierken: Leibbezogene Seele? Interdisziplinäre Erkundungen eines kaum noch fassbaren Begriffs – Florian Steger/Jürgen Brunner: Vom Verschwinden der Seele in der neuzeitlichen Medizin – oder: Von den zahlreichen Lokalisationsbemühungen in der Geschichte der Medizin – Johannes Hübner: Verkörperte Seelen und beseelte Körper. Zum Verhältnis von Seele und Körper bei Platon und Aristoteles – Notger Slenczka: Die Seele und ihre passiones. Luther im Gespräch mit der vorreformatorischen Anthropologie – Marco Ivaldo: Nihilismus, Subjektivität, Leben. Im Anschluss an Jacobi und Fichte – Malte Dominik Krüger: Depersonale Subjektivität. Zum Begriff der Seele bei Schelling – Ulrich Barth: Das neuzeitliche Schicksal der Seele. Von der Substanzmetaphysik zur Erlebnispsychologie – Martin Kurthen: Suche nach der Seele in der Hirnforschung – Brigitte Boothe: Wunsch, Lust und Seelenleben – Wolfgang Mack: Psychologie ohne ,Seele' und ,Leib'. Wie es dazu kam, weswegen es aktuell so ist und ob die akademische Psychologie den Begriff der 'leibbezogenen Seele' braucht – Anne Steinmeier: Poetik der Seele. Überlegungen zur Seelsorge im Horizont moderner Lebenswelten – Dirk Evers: »Spricht die Seele, so spricht ach! schon die Seele nicht mehr!« Überlegungen zum Seelenbegriff im Anschluss an Gadamers Hermeneutik – Daniel Fulda: »Spricht die Seele, so spricht ach! Schon die Seele nicht mehr.« Ein Problem und seine Chancen für die Literatur – Ferdinand Fellmann: »Der menschliche Körper ist das beste Bild der menschlichen Seele«. Der phänomenologische Bildbegriff und die Gottebenbildlichkeit des Menschen – Rudolf Langthaler: Der Begriff der »Seele« in fundamentalphilosophischer Perspektive – eine problemgeschichtliche Skizze – Roderich Barth: Religiöse Innerlichkeit. Zur Aktualität des Seelenbegriffes für die evangelische Theologie
Personen

Jörg Dierken Geboren 1959; Studium der Theologie und Philosophie; 1987 Promotion; seit 1995 Professor für Systematische Theologie / Ethik und Religionsphilosophie an der Universität Hamburg; seit 2012 erster Vorsitzender der Internationalen Schleiermacher-Gesellschaft.

Malte Dominik Krüger ist Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie und Direktor des Rudolf-Bultmann-Instituts für Hermeneutik an der Philipps-Universität Marburg.
https://orcid.org/0000-0002-0883-2966

Rezensionen

Folgende Rezensionen sind bekannt:

In: Theologische Literaturzeitung — 141 (2016), S. 839–841 (Elisabeth Gräb-Schmidt)