Rechtswissenschaft
Mathias Habersack, Peter Zickgraf
Sorgfaltspflichten und Haftung in der Lieferkette als Regelungsmodell
Rechtsentwicklung – Rechtsvergleichung – Rechtsökonomik – Rechtsdogmatik
Jahrgang 87 (2023) / Heft 3,
S. 532-607 (76)
Publiziert 22.08.2023
Der Vorschlag für eine Sorgfaltspflichten-Richtlinie geht nicht nur hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs und des Schutzbereichs, sondern auch hinsichtlich der Sanktionierung einer Sorgfaltspflichtenverletzung deutlich über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hinaus. Während das LkSG sich in seinem § 3 Abs. 3 Satz 1 gegen ein Private Enforcement ausgesprochen hat, zielt Art. 22 des Richtlinienvorschlags auf eine Einstandspflicht für das Fehlverhalten von Tochterunternehmen und Vertragspartnern. Der Beitrag befasst sich mit den konzeptionellen Grundlagen des Regelungsmodells schadensersatzbewehrter Sorgfaltspflichten in der Lieferkette: In rechtsvergleichender Hinsicht markiert die geplante Einstandspflicht eine Abkehr von der die Deliktsrechte des deutschen und des anglo-amerikanischen Rechtskreises prägenden independent contractor rule, sodass mit dem Regelungsmodell ein bereichsspezifischer Paradigmenwechsel im Recht der außervertraglichen Haftung verbunden ist. Aus rechtsökonomischer Sicht erweist sich das geplante Regelungsmodell indes aufgrund bereichsspezifischer Sonderfaktoren als nachvollziehbar. Die mit dem Regelungsmodell verbundenen (Haftungs-)Folgen erscheinen für die Unternehmen bewältigbar, wenn dem geplanten Haftungstatbestand schärfere Konturen verliehen werden.