Unter der Leitperspektive der wechselseitigen Wahrnehmung von frühjüdischen und neutestamentlichen Texten beleuchten die 19 Beiträge des vorliegenden Sammelbands zentrale ethische und anthropologische Themen und lassen dabei das facettenreiche Zusammenspiel von anthropologischen und ethischen Überzeugungen deutlich werden.
Nicht nur im antiken Judentum, sondern auch im entstehenden Christentum spielen ethische Aspekte eine maßgebliche Rolle. Fragt man nach der Einbettung ethischer Orientierungen in weltanschauliche Grundüberzeugungen, verdient die Korrelation von Anthropologie und Ethik besondere Aufmerksamkeit. Ethischen Orientierungen liegen - in den frühjüdischen wie neutestamentlichen Texten häufig implizit bleibende - anthropologische Prämissen zugrunde. Dem korrespondiert, dass die Plausibilität ethischer Überzeugungen ganz wesentlich davon abhängt, ob diese durch ein entsprechendes Menschenbild getragen und unterstützt werden oder nicht. Auf dieser Basis untersucht der vorliegende Sammelband, der die Ergebnisse eines Symposiums dokumentiert, das in Verbindung mit dem Projekt Corpus Judaeo-Hellenisticum Novi Testamenti im Mai 2012 im Internationalen Wissenschaftsforum Heidelberg stattfand, zentrale anthropologische und ethische Themen, die im Sinne wechselseitiger Wahrnehmungen jeweils paarweise aus einer frühjüdischen und einer neutestamentlichen Perspektive beleuchtet werden. Das Themenspektrum reicht vom Motiv der Gottebenbildlichkeit des Menschen über die Frage nach der Sünde und dem Umgang mit Gewalt sowie über Aspekte der Sexual- und Besitzethik und das Verhalten gegenüber Notleidenden bis hin zum »Ende des Menschen«. Ergänzend reflektieren übergreifende Beiträge zum einen methodisch den »Dialog« zwischen frühjüdischen und neutestamentlichen Schriften, zum anderen thematisch die anthropologische und ethische Bedeutung von Menschenwürde und -pflichten, Konversionserfahrungen und der menschlichen Ernährung.
Inhaltsübersicht:
John M.G. Barclay: Constructing a Dialogue. 4 Ezra and Paul on the Mercy of God -
Christfried Böttrich: Menschenwürde - Menschenpflichten. Perspektiven universaler Ethik in den Henochschriften und im lukanischen Doppelwerk -
René Bloch: Take Your Time. Conversion, Confidence and Tranquility in Joseph and Aseneth -
George H. Van Kooten: Man as God's Spiritual or Physical Image? Theomorphic Ethics versus Numinous Ethics and Anthropomorphic Aesthetics in Early Judaism, Ancient Philosophy, and the New Testament -
Karl-Wilhelm Niebuhr: Menschenbild, Gottesverständnis und Ethik. Zwei paulinische Argumentationen (Röm 1,18-2,29; 8,1-30) -
Loren T. Stuckenbruck: The Myth of Rebellious Angels. Ethics and Theological Anthropology -
Eckart Reinmuth: Befreiung und Gewalt. Perspektiven theologischer Anthropologie im Hebräerbrief -
Hindy Najman: Sin and Torah in 4 Ezra -
Jens Herzer: »Worin es schwach war durch das Fleisch« (Röm 8,3). Gesetz und Sünde im Römerbrief - oder: Das Ringen des Paulus um eine neue Identität -
Matthias Konradt: »Fliehet die Unzucht!« (TestRub 5,5). Sexualethische Perspektiven in den Testamenten der zwölf Patriarchen -
Friedrich Wilhelm Horn: Nicht wie die Heiden! Sexualethische Tabuzonen und ihre Bewertungen durch Paulus -
Michael Tilly: Besitzethik und Menschenbild bei Pseudo-Phokylides -
Roland Deines: God or Mammon. The Danger of Wealth in the Jesus Tradition and in the Epistle of James -
Markus Witte: Begründungen der Barmherzigkeit gegenüber den Bedürftigen in jüdischen Weisheitsschriften aus hellenistisch-römischer Zeit -
Gerd Theißen: Gemeindestrukturen und Hilfsmotivation. Wie haben urchristliche Gemeinden zum Helfen motiviert? -
Matthias Henze: »Then the Messiah will begin to be revealed«. Resurrection and the Apocalyptic Drama in 1 Corinthians 15 and Second Baruch 29-30, 49-51 -
Samuel Vollenweider: Auferstehung als Verwandlung. Die paulinische Eschatologie von 1Kor 15 im Vergleich mit der syrischen Baruchapokalypse (2Bar) -
Todd D. Still: Turning to God from Idols. Conversion in Joseph and Aseneth and 1 Thessalonians -
Stefan Krauter: Der Mensch ist, was er isst. Ernährung als zentrale Dimension des Menschseins in den Adamviten