Wie intensiv sollte das Bundesverfassungsgericht die Entscheidungen anderer Gerichte auf ihre Grundrechtskonformität prüfen? Die Rechtsprechung ist uneinheitlich, die wissenschaftliche Diskussion bislang ergebnislos. Ralf Alleweldt untersucht das Dilemma der Grundrechtsprüfung und präsentiert eine neue Lösung für ein altes Problem.
Kaum ein Thema des deutschen Verfassungsrechts ist so ausführlich und gleichzeitig so ergebnisarm diskutiert worden wie der Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts bei der Urteilsverfassungsbeschwerde. Das Verfassungsgericht selbst agiert uneinheitlich nach schwer nachvollziehbaren Kriterien; immer wieder werden ihm Kompetenzüberschreitungen vorgeworfen. Den Kritikern ist es bislang jedoch nicht gelungen, den zutreffenden Umfang der verfassungsgerichtlichen Befugnisse in einem rechtsdogmatischen Modell zu beschreiben. Mehr und mehr Stimmen behaupten die Unlösbarkeit des Problems. Nahezu einhellig wird allerdings angenommen, die verfassungsgerichtliche Kontrolle könne nicht einfach den Anforderungen des materiellen Grundrechtsschutzes folgen. Ralf Alleweldt untersucht die Gründe für diese Annahme und arbeitet heraus, daß sie auf brüchigen Prämissen beruht. Er zieht die Verbindungslinien vom prozessualen Problem des Prüfungsumfangs zur materiellen Grundrechtsdogmatik. Die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung erklärt sich teilweise dadurch, daß die Verfassung je nach der im Einzelfall betroffenen Grundrechtsdimension unterschiedliche Anforderungen an eine gerichtliche Entscheidung stellt. Es ist nur in Teilbereichen begründbar, warum sich die Kontrolltätigkeit des Verfassungsgerichts von der materiellen Reichweite der Grundrechte lösen sollte. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis entwickelt der Autor ein strukturiertes, interpretativ aus der Verfassung ableitbares und praxisbezogenes Modell der verfassungsgerichtlichen Überprüfung von Gerichtsentscheidungen.
Inhaltsübersicht:
EINLEITUNG
TEIL 1: HISTORISCHE UND MATERIELLRECHTLICHE GRUNDLAGEN
1. Kapitel: Der Weg zur Unlösbarkeit: Das Dilemma der Grundrechtsprüfung
2. Kapitel: Einzelfallbezogene Grundrechtsbindung in der heutigen Grundrechtsdogmatik
TEIL 2: DIE RECHTSPRECHUNGSPRAXIS DES BUNDESVERFASSUNGSGERICHTS
3. Kapitel: Entwicklung des Prüfungsumfangs im verfassungsgerichtlichen Selbstverständnis
4. Kapitel: Kontrolltypen
5. Kapitel: Tatsächliches Entscheidungsverhalten des Bundesverfassungsgerichts
6. Kapitel: Erkenntnisse aus der Kontrollpraxis
TEIL 3: DIREKTE GRUNDRECHTSKONTROLLE: LÖSUNGSMODELLE IN DER LITERATUR
7. Kapitel: Begrenzungsmodelle
8. Kapitel: Die Beiträge der Staatsrechtslehrertagung 2001
TEIL 4: DIREKTE GRUNDRECHTSKONTROLLE: ANALYSE UND EIGENER VORSCHLAG
9. Kapitel: Überprüfung der traditionellen Problemsicht
10. Kapitel: Eingriffskontrolle
11. Kapitel: Ausstrahlungskontrolle
12. Kapitel: Vollständige Grundrechtsprüfung, verfassungsgerichtliche Kontrollpraxis und Staatsrechtslehre
TEIL 5: RECHTSBINDUNGSKONTROLLE
13. Kapitel: Willkürkontrolle
14. Kapitel: Rechtsfortbildungskontrolle
15. Kapitel: Grundlagenkontrolle
TEIL 6: TATSACHEN- UND DEUTUNGSKONTROLLE
16. Kapitel: Tatsachenkontrolle
17. Kapitel: Deutungskontrolle
ERGEBNIS
LITERATURVERZEICHNIS