Die Sondierung der Deutungspotentiale der Kreuzestheologie richtet sich an Gegenwartsdiskurse, um zu klären, wie und unter welchen Bedingungen sie heute sinnvoll sein kann: Kreuzestheologie als phobische Prolegomena medialer Theologie.
Denn das Kreuz ist das tremendum der Theologie und auch ihr fascinosum: Riss aller Deutungen und ihr provokantes Woher und Woraufhin. Im Kreuz reißen alle gängigen Deutungen - und es provoziert umso mehr neue Deutungen in Wort, Schrift und Bild vom Kreuz.
Die Sondierung der
Deutungspotentiale der Kreuzestheologie richtet sich als Gesprächsangebot an Gegenwartsdiskurse, um zu klären, wie und unter welchen Bedingungen sie
heute sinnvoll sein kann:
Kreuzestheologie wird zu phobischen Prolegomena medialer Theologie.Für eine mediale Theologie wird ihr
singuläres tremendum et fascinosum entscheidend: das Kreuz als dunkle Unmittelbarkeit, als Ungrund einer Theologie von ganz unten, als
Riss aller Deutungen, der umso mehr neue Deutungen provoziert. Das Kreuz als Riss markiert das Andere der Medien - und wird zu deren
Öffnung in Wort, Schrift und Bild vom Kreuz.
Das Kreuz als Pathosformel und Metonymie für den Gekreuzigten provoziert Phobos, Entsetzen und Flucht. Das Abjekt stößt ab; andernfalls wäre das Kreuz bereits vergoldet in Erhöhung und Verklärung. Aber der Phobos entwickelt ungeheure Bewegungsenergie für Logos und Ethos: Deutungspotentiale mit ewigem Nachleben, in Krisenzeiten ganz besonders.
Üblicherweise wird das Kreuz prästabilisiert durch allumfassende Deutungsmuster, die dem Kreuz seinen Sinn geben: Sühne, Trinität und Souveränität Gottes. Die Befremdungspotentiale des Kreuzes werden dadurch normalisiert und stillgestellt. Dem treten Labilisierungen und Radikalisierungen der Kreuzestheologie gegenüber.
Wie sind die
konstruktiven Deutungspotentiale der Kreuzestheologie auszuführen? Wie kann von Gott kreuzestheologisch gedacht und gesprochen werden? Etwa, indem Gott
pathisch gedeutet wird. Als letztes Refugium der Apathie erscheint der
Geist meist unberührt von Kreuz und Tod. Nur ist doch gerade der Geist Medium der Pathe Gottes: seiner Leiden und Leidenschaften. Daher wird er als ein verwundeter Geist gedeutet, wenn er denn Geist Christi ist. Wie kritisch das Kreuz für die
Christologie werden kann, zeigt sich exemplarisch in Karfreitags- und Karsamstagstheologie.
Auf diesem Hintergrund werden zwei Horizonterweiterungen des »Wortes vom Kreuz« entfaltet:
Schrift vom Kreuz und
Bild vom Kreuz. Verkörpert die Schrift das Kreuz im Sinn, so verkörpert das Bild das Kreuz vor Augen, in aller Sinnlichkeit des Sinns. Im Rückblick werden
Thesen vom Kreuz formuliert zur Orientierung des hier riskierten Versuchs, kreuzestheologisch Theologie zu treiben, um die Deutungspotentiale der Kreuzestheologie zu sondieren und zu entfalten.
Inhaltsübersicht:
1. Einleitung: Phobische Prolegomena medialer Theologie
2. Konjunkturen der Kreuzestheologie?
3. Eine grammatische Bemerkung
4. Drei Perspektiven auf die Kreuzestheologie
Kreuzestheologie historisieren - Kreuzestheologie treiben - Kreuzestheologisch Theologie treiben
5. Sechs Deutungen der Kreuzestheologie
Epistemisch (und ethisch, pathisch, visuell) - Anthropologisch (und hamartiologisch, soteriologisch, existentiell) - Christologisch (und theologisch, pneumatologisch, trinitarisch) - Ontologisch (und kosmologisch) - Politisch (und ekklesiologisch) - Regulativ:
coram cruce
6.
Coram cruce oder
cum cruce? Ebelings regulative theologia crucis
7. Stabilisierung und Labilisierung der Kreuzestheologie: Souveränität und Kritik
Sühne als Meisterdeutung? - Trinität als Prästabilisierung? - Souveräne Selbstbestimmung? - Passion als souveräne Aktion? - Souveräne 'Identifikation mit dem Gekreuzigten'? - Souveräne 'Selbsttötung Gottes'? - Potentieller Trinitätsverlust?
8. Radikalisierung der Kreuzestheologie - ohne Souverän
Radikaler Souveränitätsverlust? - Derridas 'Gott, der sich dekonstruiert' als 'sterbliche Nichtsouveränität' - respondeo: Gott, der sich
rettend widerspricht - Caputos 'radikalere Kreuzestheologie' - respondeo: Machtlose Macht und
im/potentia des Gekreuzigten - Nancys 'phänomenologia crucis' - respondeo: Kreuz als
Riss als Öffnung
9. Relative und radikale Kreuzestheologie
Kreuzeskalkulationen: Y + Kreuz + X -
Non sola cruce, sondern solo
spiritu ? -Solo
deo und solo
verbodei? - Allein das
Wortvom Kreuz - Vom
Wort zum
Kreuz - und zurück
10. 'Kreuz', Kreuz und Wort vom Kreuz
'Kreuz' als Wort - Kreuz als Referent - Kreuz
als etwas gedeutet - Kreuz als Riss der Deutung - Kreuzestheologische Differenzen - Medien des Kreuzes und Kreuz als Medium
11. Wie Sprechen
coram cruce ?
Gottes Antwort auf das Kreuz? - Religiöse Antworten und deren Reflexion? - Kreuzes
theologie als Antwort auf das
Wort vom Kreuz -
Kreuzes theologie als Antwort auf
das Kreuz - Kreuzestheologie kritisch
und konstruktiv - Riss als Öffnung - Negative, positive und paradoxierende Kreuzestheologie - Deutungsmuster: Kreuz als forma formans, Gekreuzigter als figura figurans
12. Kreuzestheologische Potentiale
Gottes Passion: Gott
pathisch gedeutet - Pneumatologia
crucis : ein Geist mit Narben - Christologie: vom Kreuz
der Auferweckung -
Prospektive Deutungspotentiale: der Gekreuzigte und seine
Verwandten
13. Schrift vom Kreuz: Das Kreuz im Sinn
Vom Kreuz zum Wort zur Schrift - und zurück - coram cruce - coram scriptura - Kreuzestheologischer Schriftbegriff - Chiasmus von Kreuz und Schrift - Figur und Figuration: Gekreuzigter und Schrift
14. Bild vom Kreuz: Das Kreuz vor Augen
Das Kreuz als Pathosformel - Der Gekreuzigte als Amulett und als figura figurans - Bild vom Kreuz im Kirchenraum - Bild vom Kreuz im öffentlichen Raum - Kreuzestheologische Bildtheorie - 'Identifikation mit dem Gekreuzigten': Grünewalds Gekreuzigter - Rückblick und Ausblick
15. Thesen vom Kreuz - im Rückblick