Die ökonomische Schlagkraft von Franchisesystemen wurzelt in der Verbindung gegensätzlicher Organisationslogiken: Hierarchie und Heterarchie, Einheit und Vielheit, Selbständigkeit und Abhängigkeit. Das Rechtssystem ordnet diese gegensätzlichen Organisationsformen traditionell je unterschiedlichen Regelungsregimes zu. Judith Schacherreiter untersucht, wie das Recht mit der paradoxen Verbindung der beiden umgeht.
Franchisesysteme sind hybride Verbindungen von Markt und Hierarchie. Sie oszillieren zwischen integriertem Einheitsunternehmen und dem Absatz über unabhängige Groß- und Einzelhändler. Ihre ökonomische Schlagkraft resultiert aus der paradoxen Verknüpfung von Einheit und Vielheit, Hierarchie und Heterarchie, Markt und Organisation. Dies haben Wirtschafts- und Sozialwissenschaften schon vor längerer Zeit festgestellt. In den Rechtswissenschaften macht der Doppelcharakter von Franchisesystemen unter Schlagworten wie 'Netzverträge' und 'Verbundverträge' erst seit kürzerer Zeit Furore. Judith Schacherreiter knüpft an diese Diskussion an. Sie geht von Erkenntnissen der Rechtsökonomik und der Systemtheorie aus, wo Franchisesysteme unter Bezugnahme auf die Dichotomie 'Markt versus Organisation/Hierarchie' behandelt werden, und übersetzt diese Dichotomie in rechtliche Gegenüberstellungen. Sie fragt, ob der Franchisenehmer Arbeitnehmer oder selbständiger Unternehmer ist, ob sich ein Franchisesystem nur als Vielheit bilateraler Austauschverträge oder aber auch als eine einheitliche Gesellschaft erfassen lässt, und ob eine Franchisebeziehung nur ein schuldrechtliches oder aber auch ein konzernrechtlich relevantes Verhältnis begründen kann. Diese Fragen werden vergleichend aus dem Blickwinkel des deutschen und des österreichischen Sachrechts sowie aus kollisionsrechtlicher Perspektive behandelt, wobei Unterschiede primär im Gesellschafts- und im Konzernrecht liegen. Sowohl im Sach- als auch im Kollisionsrecht wird sichtbar, dass die paradoxe Verfassung von Franchisesystemen das Recht in ein unruhiges Changieren versetzt - ein Changieren zwischen Selbständigkeit und Abhängigkeit, Einheit und Vielheit, hierarchisch-interner und marktlich-externer Beherrschung.
Inhaltsübersicht:
§ 1
FallbeispieleA. Eismänner und -frauen
B. McLaw - Das Anwalts-Franchisesystem Legitas
C. Alles in OBI
D. Grinding it out: the Making of McDonalds
§ 2
Franchising als Hybrid in Ökonomik und SystemtheorieI.
Franchising als Institution zwischen Markt und HierarchieA. Zwischen Markt und Hierarchie
B. Franchiseverträge als relationale Verträge
C. Franchising als Prinzipal-Agent-Beziehung
D. Vertragsspezifische Investitionen als Geiseln
II.
Franchising als paradoxe Verbindung von Markt und HierarchieA. Vertrag und Organisation
B. Netzwerke
C. Hybride als institutionalisierte Widersprüche
D. Double Bind, Varietät und Redundanz E. Hybride als kollektive Akteure
III.
Perspektivenwechsel: Markt und Hierarchie im RechtssystemA. Reformulierung der Markt-Hierarchie-Dichotomie
B. Beobachtung erster und zweiter Ordnung
IV.
Zwischenergebnis§ 3
Handelsrecht/ArbeitsrechtI.
Markt/Hierarchie - Handelsrecht/ArbeitsrechtA. Abhängigkeit und Selbständigkeit
B. Ausdifferenzierung
II.
Materiellrechtliche AspekteA. Franchising im Arbeitsrecht
B. Franchising im Handelsrecht
III.
Kollisionsrechtliche AspekteA. Kollisionsrechtlicher Arbeitnehmerschutz
B. Kollisionsrechtlicher Schutz des Handelsvertreters
C. Objektive Anknüpfung
IV.
Zwischenergebnis§ 4
Schuldvertragsrecht/GesellschaftsrechtI.
Markt/Organisation - Vertragsrecht/GesellschaftsrechtII.
Materiellrechtliche AspekteA. Gesellschaftsrechtliche Verdachtsmomente
B. Wesensmerkmale der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft
C. Rechtliche Ausgestaltung der bürgerlichrechtlichen Gesellschaft
D. Rechtsfolgen einer gesellschaftsrechtlichen Qualifikation
III.
Kollisionsrechtliche AspekteA. Vertrag und System im Kollisionsrecht des Franchising
B. Hierarchische und partnerschaftliche Systeme im Kollisionsrecht
C. Die bürgerlichrechtliche Gesellschaft im Kollisionsrecht
D. Franchising als Gesellschaftsverhältnis im Kollisionsrecht
IV.
Zwischenergebnis§ 5
Schuldecht/KonzernrechtI.
Markt/Organisation - Schuldrecht/KonzernrechtA. Der Konzern als unitas multiplex
B. Marktbedingte und organisationsbedingte Abhängigkeit
C. Markt und Hierarchie im Konzernhaftungsrecht
II.
Materiellrechtliche AspekteA. Grundstrukturen der Regulierung von Fremdsteuerung
B. Konzernhaftung: Balance von Herrschaft und Haftung
C. Franchising im Konzernrecht
III.
Kollisionsrechtliche AspekteA. Internationales Konzernrecht
B. Franchising im internationalen Konzernrecht
IV.
Zwischenergebnis§ 6
Das Franchise-Paradox im RechtssystemA. Paralysen und deren Überwindung
B. Markt und Organisation im Recht
C. Praktische Bedeutung des Hybridcharakters
D. Der Doppelcharakter in den untersuchten Bezugssystemen
E. Schlussbetrachtung