Joseph ist eine Schlüsselfigur biblischer Literatur. Magnus Rabel analysiert seine Wandlungen von der Genesis bis ins frühe Christentum und zeigt, wie er als Weiser, Herrscher oder Tyrann zentrale Diskurse über Macht, Fremdheit, Identität, Gerechtigkeit und Versöhnung prägt.
Joseph zählt zu den vielseitigsten und wirkmächtigsten Figuren der Genesis. Magnus Rabel zeigt erstmals umfassend, wie Joseph und seine Geschichte in antiken jüdischen und frühchristlichen Quellen immer wieder neu interpretiert und transformiert wurden. Vom weisen Ratgeber über den idealen Staatsmann bis hin zum Tyrannen, Werkzeug Gottes oder typologischen Vorläufer Christi reicht das Spektrum der Josephsbilder. Narratologisch präzise und rezeptionsgeschichtlich differenziert arbeitet die Untersuchung heraus, dass Joseph weniger eine feste Figur als vielmehr eine stets neu akzentuierte Projektionsfläche kultureller und theologischer Diskurse darstellt. Dabei erweist sich die Josephserzählung als Brennpunkt grundlegender menschlicher Fragen nach Fremdheit, Weisheit, Macht und Versöhnung. Joseph wird so zu einem Spiegel erinnerter Identitätsbildung und zugleich zum Vorbild zukunftsgerichteter Identitätssicherung.
Inhaltsübersicht:
1 Hinführung, Forschungsüberblick, Methodik
1.1 Quellenlage
1.2 Forschungsüberblick
1.3 Methodisches
1.4 Vorgehen und Zielsetzung
2 Die Josephsgeschichte als Ausgangspunkt
2.1 Die diachrone Rückfrage
2.2 Die Textgrundlage
2.3 Eine endgestaltlich-thematische Lektüre der Josephsgeschichte
2.4 Joseph als Figur
3 Joseph in der übrigen Hebräischen Bibel
3.1 Explizite Aufnahmen
3.2 Thematische Aufnahmen in Ester und Daniel
3.3 Fazit
4 Joseph in der Septuaginta
4.1 Die Septuaginta als älteste Kommentierung der hebräischen Schriften
4.2 Eine abgemilderte Kindheit (Gen 37,2-11)
4.3 Der Gesegnete, Schöne, Ethische und Verantwortungsvolle (39,1-23)
4.4 Keine Kritik an Macht und Mischehe (Gen 41,37-57)
4.5 Weitere Betonungen Josephs (Gen 46,5.29; 47,14; 49,22-26)
4.6 Ein gottesfürchtiges Bekenntnis (Gen 50,15-21)
4.7 Fazit
5 Joseph in antik-jüdischen Weisheitstraditionen
5.1 Sir 49,15
5.2 Sap 10,13-14
5.3 Fazit
6 Joseph in den Fragmenten des Alexander Polyhistor
6.1 Artapanus (Praep. ev. 9.23.1-4)
6.2 Demetrius (Praep. ev. 9.21.1-18)
6.3 Philo, der Epiker (Praep. ev. 9.24.1)
6.4 Fazit
7 Joseph in den Makkabäerbüchern
7.1 1. Makkabäerbuch
7.2 4. Makkabäerbuch
7.3 Fazit
8 Joseph in den Testamenten der zwölf Patriarchen
8.1 Joseph als makelloses Vorbild in elf Testamenten
8.2 Joseph als geduldig liebender Mann im fiktiven Selbstzeugnis T. Jos.
8.3 Fazit: Joseph als ethischer Kristallisationspunkt der TestXII
9 Joseph im Jubiläenbuch
9.1 Josephs Geburt (Jub 28,24)
9.2 Die fehlende negative Kindheitsheiterzählung (Jub 34.39)
9.3 Joseph als Tröster und Opfer (Jub 34)
9.4 Joseph als Segensträger und schuldloser Rechtschaffener (Jub 39)
9.5 Joseph als idealer Staatsmann, das ideale Eschaton und die fehlenden Träume
9.6 Josephs versöhnliches Handeln mit den Brüdern (Jub 42-45)
9.7 Josephs noch stärkere Idealisierung
9.8 Fazit: Idealisierung, Versöhnung und Innenleben
10 Joseph in der zweiten Tiervision des 1. Henochbuches
11 Joseph im Liber Antiquitatum Biblicarum
11.1 Positiver Joseph und positive Josephsgeschichte in nuce (8,9-14)
11.2 Josephserwähnungen als positive Vergleichspunkte (12,1; 43,5)
11.3 Fazit
12 Joseph in Joseph und Aseneth
12.1 Exposition, Ringschluss, Ägyptisierung, Vorwegnahme (1,1-5)
12.2 Bei Pentephres (3,1-10,1)
12.3 Aseneths Hinwendung zum Gott Josephs als sekundäre Hinwendung zu Joseph (9,1-17,10)
12.4 Joseph als Bräutigam (18,1-21,9)
12.5 Joseph als sanftmütiger, mitleidiger und gottesfürchtiger Mann Aseneths und Augapfel Gottes (22,1-29,9)
12.6 Fazit
13 Joseph bei Flavius Josephus
13.1 Bibelparaphrase in den Antiquitates Biblicae
13.2 Entschärfte Exposition der Josephsgeschichte und Verkauf (2,7-38)
13.3 Paideia und tugendhafter Widerstand bei Pentephres (2,39-60)
13.4 Unschuldige Gefangenschaft und logische Traumdeutung (61-73)
13.5 Josephs verständig-verständlicher Aufstieg (74-92)
13.6 Josephs planvoller Umgang mit seinen Brüdern (93-159)
13.7 Josephs unspektakuläre Vergebung (160-188)
13.8 Kluge Agrarpolitik mit Zurückgabe des Landes (189-193)
13.9 Jakobs und Josephs versöhnter Tod (194-199)
13.10 Joseph außerhalb der Josephsgeschichte bei Josephus
13.11 Joseph als personifizierte Tugend und seine Kardinaltugenden
13.12 Fazit
14 Joseph bei Philo von Alexandrien
14.1 Joseph als idealer Staatsmann in de Iosepho
14.2 Joseph als Despot in de Somniis 2
14.3 Fazit: Philos Joseph als Idealherrscher und Tyrann
15 Joseph im Neuen Testament
15.1 Der Mann Marias als kreative Josephsfigur bei Matthäus
15.2 Josephsspuren bei Lukas?
15.3 Der verstoßene Joseph als Zeuge christologischer Typologie (Act 7,9-16)
15.4 Joseph als Zeuge hoffnungsvollen Glaubens (Hebr 11,21-22)
15.5 Fazit
16 Ergebnissicherung, Schlussreflexion und Ausblick
16.1 Ergebnissicherung
16.2 Hermeneutische Reflexion I: Joseph als volatile Figur
16.3 Hermeneutische Reflexion II: Josephs- und Ägyptenschweigen
16.4 Hermeneutische Reflexion III: Joseph als inadäquate Figur
16.5 Desiderate: Transfigurale, multiperspektivische und interkulturelle Rezeption
16.6 Exemplarischer Ausblick: Josephsrezeption im antiken Christentum