Endlichkeit ist ein unbestreitbares Signum menschlichen Lebens, dessen Interpretation jedoch kontrovers bleibt. Die Beiträge dieses Bandes stellen die Deutungspotentiale heraus, die theologische und philosophische Diskurse für Phänomene der Endlichkeit bieten und beziehen diese auf medizinethische Debatten und medizinökonomisch relevante Entscheidungen.
Der Mensch muss unter endlichen Bedingungen leben. Mehr noch: Sein Leben selbst ist endlich. Vollkommenheitswahn und Vollendungssehnsucht bleiben daher unerfüllt. Doch wie ist diese Endlichkeit genau zu verstehen und zu beurteilen? Steht 'Endlichkeit' für ein Defizit menschlichen Lebens oder ist sie als positive Auszeichnung zu begreifen? Inwiefern kann und muss zwischen heilsamen Begrenzungen des Lebens und Phänomenen 'schlechter Endlichkeit' differenziert werden? Und welche Konsequenzen ergeben sich, wenn Krankheitsphänomene als Ausdruck von Endlichkeit gedeutet werden?
Die Beiträge dieses Bandes aus den Fächern Theologie, Philosophie, Medizinethik, Medizin und Medizinsoziologie gehen diesen Fragen nach. Sie stellen die Deutungspotentiale heraus, die theologische und philosophische Diskurse für Phänomene der Endlichkeit bieten und beziehen diese auf medizinethische Debatten und medizinökonomisch relevante Entscheidungen. Sie zielen damit nicht nur auf eine Schärfung des Endlichkeitsbegriffs, der im Bezug zu Rezeptivität, Responsivität, Alterität und Passivität erläutert wird, sondern fragen vor allem, inwiefern sich solche theoretischen Differenzierungen im Umgang mit Krankheit und Leiden als Ausdruck menschlicher Endlichkeit bewähren und inwiefern die medizinische und seelsorgliche Praxis theoretische Endlichkeitsdiskurse zu Umbauten herausfordert.
Inhaltsübersicht:
I. Grundsätzliche AnnäherungenDietrich v. Engelhardt: Illusion Gesundheit - ein Plädoyer für das fragmentarische Leben aus medizinhistorisch-ethischer Sicht -
Thomas Rentsch: Endlichkeit und Sinn -
Stephan Schaede: Endliches Leben, endliche Krankheit und unendliche Hoffnungen? Theologische Perspektiven auf Grenzen von Krankheit und Therapie
II. BegriffsschärfungenRainer Marten: Endlichkeit, Unendlichkeit und die Frage nach dem menschlichen Maß des Lebens -
Dominic Kaegi: Endlich passiv
III. Das Elend schlechter Endlichkeitenliver Müller/Claudia Bozzaro: Endlichkeit und Technisierung. Philosophisch-anthropologische Überlegungen zur Veränderung von Zeiterfahrungen und zum angemessenen Umgang damit am Beispiel der Anti-Aging-Medizin -
Magnus Schlette: Die 'schlechte Endlichkeit' des menschlichen Lebens. Eine Auseinandersetzung mit Ernst Tugendhat -
Peter Hucklenbroich: Der Krankheitsbegriff, seine Grenzen und Ambivalenzen in der medizinethischen Diskussion -
Günter Thomas: Krankheit als schlechte Endlichkeit. Theologische Optionen zwischen Widerstand und Ergebung
IV. Ambivalenzen: Endliche Mittel und endliche GerechtigkeitAnja Hartmann: Ein langes Leben und ein gutes Ende? Anmerkungen aus gesundheitssoziologischer Perspektive -
Thomas Schramme: Der Person des Kranken gerecht werden -
Oliver Rauprich: Rationierung unter den Bedingungen der Endlichkeit im Gesundheitswesen -
Markus Höfner: 'Alter' als Kriterium für die Rationierung von Gesundheitsleistungen? Theologisch-ethische Überlegungen zu einem Vorschlag von Norman Daniels
V. Heilsame Grenzen?Holger Maul: Konfrontation mit Krankheit und Endlichkeit in der Pränatalmedizin. Persönliche Perspektiven eines Gynäkologen -
Notker Slenczka: Endlichkeit als Vollendung? Überlegungen im Anschluss an Aristoteles -
Kirsten Huxel: Sinn und Geschmack fürs Endliche. Die eschatologische Existenz des Glaubens im Diskurs der Moderne -
Hans-Martin Dober: Die Kunst, mit Endlichkeit zu leben. Erwägungen aus seelsorgerlicher Perspektive