Konflikte sind der Ernstfall der Ethik. Gerd Theissen zeigt, was Paulus’ Bemühungen, Konflikte zu überwinden, heute für eine ökumenische Ethik austragen, die den Wert der Freiheit neu betont und sich dort zum Vorläufigen verpflichtet, wo Letztbegründungen unerreichbar und unverständlich geworden sind.
Ethik sucht nach Konsens in Konflikten durch Orientierung an einem „elementarethischen Dreieck“ aus Normen, Mitmenschen und der eigenen Identität. Sie misst alle Normen an ihrer Universalisierbarkeit und daran, wie sie sich in Konflikten bewähren. Paulus wollte Konflikte zwischen Juden und Griechen, Sklaven und Freien, Männern und Frauen überwinden. Gerd Theissen zeigt, dass der Weg dahin und das Scheitern auf diesem Weg heute lehrreich für die ökumenische Ethik mit ihren drei Grundwerten Bewahrung der Schöpfung, Frieden und Gerechtigkeit ist, die unbedingt durch die Freiheit vervollständigt werden sollten. Christen sind verpflichtet, ihre Ethik auch nicht-christlichen Menschen verständlich zu machen. Das ist auch ohne Letztbegründung von Normen möglich, indem man unerreichbare Letztbegründungen durch Verpflichtung zum Vorletzten ersetzt, was der Endlichkeit des Menschen entspricht.
Inhaltsübersicht:
1. Suche nach elementarem Konsens in Konflikten
(2) Normorientierung:
Allgemeine und radikale Formen der Goldenen Regel
(3) Nächstenorientierung:
Liebesgebot und Statusunabhängigkeit
(4) Identitätsorientierung:
Ich-Treue und Selbststigmatisierung
(5) Das elementarethische Dreieck:
Gewissen als Orientierung an Normen, Nächsten und Identität
2. Suche nach universalem Konsens in Konflikten
(6) Universalität der Umkehr:
Der Ruf des Täufers an alle
(7) Universalität der Hilfe:
Die Forderung Jesu an alle
(8) Universalität der Liebe:
Die alles umfassende Liebe bei Paulus?
(9) Universalität der Erkenntnis:
Das Johannesevangelium als Konventikelmoral?
3. Suche nach sozialem Konsens in Konflikten
(10) Juden und Griechen:
Eine Synthese von Autonomie- und Nächstenethik
(11) Antisemitismus und Judentumstreue;
Die Utopie des Religionspluralismus
(12) Freie und Sklaven:
Freiheitsmetaphorik als Programmatik
(13) Ein Sklavenaufstand in der Moral:
Ressentiment und urchristliches Ethos
(14) Männer und Frauen:
Die Pluralität sexueller Lebensformen bei Paulus
(15) Homophobie und Homospiritualität:
Die Verurteilung von Homosexualität durch Paulus
4. Suche nach ökumenischem Konsens in Konflikten
(16) Schöpfung:
Das Neue Testament und die ökologische Krise
(17) Frieden:
Komplementäre Friedensethik – eine Illusion?
(18) Gerechtigkeit:
Biblische Konzepte und unser Gewissen
(19) Freiheit:
Paradoxe und kommunitäre Konzepte bei Paulus und Philo
5. Suche nach theologischem Konsens in Konflikten
(20) Trinität:
Dreifache Gefährdung oder Begründung von Toleranz?
(21) Die erste Person der Trinität:
Gott als Grund von Imperativen
(22) Die zweite Person der Trinität:
Christus als Grund einer Wertrevolution
(23) Die dritte Person der Trinität:
Der Geist als Grund von Autonomie