Hannah Toprak befasst sich mit der gerichtlichen Bewertung von NS-Verbrechen anhand von Wertmaßstäben außerhalb des geschriebenen Rechts, sog. Naturrecht. Den Hauptteil bildet eine Analyse von rund 200 Gerichtsentscheidungen, die moralische und sittliche Tatbewertungen enthalten. Dabei berücksichtigt die Autorin auch den rechtlichen, historischen und philosophischen Kontext.
Der Naturrechtsgedanke erlebte nach 1945 eine »Renaissance«. Die überwiegende Zahl wissenschaftlicher Beiträge setzt sich mit damaligen Diskussionen über Naturrecht innerhalb rechtsphilosophischer und kirchlicher Kreise auseinander. Aber wie stand es um die Rechtspraxis, die über konkrete Taten und Täter zu entscheiden hatte? Hannah Toprak analysiert wann, wo, mit welchen juristischen Instrumenten und mit welchen Folgen man sich bei der Aburteilung von NS-Verbrechen auf Argumente des Naturrechts stützte. Umfassend berücksichtigt sie hierbei den historischen, rechtsdogmatischen und philosophischen Kontext. Die Autorin zeigt unter Einbeziehung von rund 200 einschlägigen Entscheidungen auf, dass die Zwecke, Effekte und Gründe der Heranziehung des Arguments vielseitig und konträr, überwiegend aber ernüchternd bis erschütternd sind.
Inhaltsübersicht:
EinleitungA. Rückbesinnung, Bewältigung, Neuorientierung: Naturrecht nach 1945 und nationalsozialistisches Unrecht
B. Forschungsstand und Quellenlage
C. Gang der Untersuchung
Kapitel 1
Argumente des Naturrechts und ihre Renaissance nach 1945A. Begriffliches
B. Naturrechtslehren nach 1945
C. Naturrecht als offenes Konzept
Kapitel 2
Argumente des Naturrechts in ihrem rechtspraktischen KontextA. Der Wiederaufbau der Rechtspflege in den ersten Nachkriegsjahren
B. Die rechtlichen Rahmenbedingungen . Koexistenz von Besatzungsrecht und deutschem Recht
Kapitel 3
Analyse: Die Naturrechtsprechung in ihrem (rechts-)historischen KontextA. Argumente des Naturrechts bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Verbrechen der Gestapo und ihrer Helfer im »Altreich«
B. Argumente des Naturrechts bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Polizeiverbrechen in den besetzen Gebieten
Ergebnisse und FolgerungenA. Naturrechtsrenaissance und Naturrechtsprechung
B. Zwecke und Effekte naturrechtlicher Methodik und Sprache
C. Naturrechtsargumente und ihre rechtshistorischen Bezugspunkte
D. Naturrecht als »Universalwaffe«: die methodische Ambivalenz naturrechtlicher Argumentation
E. Chancen, Schwächen, Alternativen: die Rolle des Naturrechtsarguments bei der Aufarbeitung von NS-Verbrechen