Religionswissenschaft

Angelika Neuwirth

Wie entsteht eine Schrift in der Forschung und in der Geschichte?

Die Hebräische Bibel und der Koran
Hrsg. v. Jürgen Kampmann
Übers. v. Paul Silas Peterson

2017. 238 Seiten.

Lucas-Preis 2015

39,00 €
inkl. gesetzl. MwSt.
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ISBN 978-3-16-160793-6
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In welchem Verhältnis stehen der Koran und damit der Islam zur biblischen Tradition? Angelika Neuwirth wendet sich dieser und weiteren Fragen mit bereits in den Nachbarphilologien erprobten Kriterien wie der typologischen Deutung sowie der Antinomie von Anziehung und Abstoßung zu.
In welchem Verhältnis steht der Koran zur biblischen Tradition? Ist er Teil der für das spätere Europa formativen spätantiken Mittelmeerkultur, oder dominiert in seiner Botschaft »das Eigene«, die lokale, kämpferische Kultur Arabiens? Seine Entstehungsgeschichte zeigt, dass er wie die Mischna und das Neue Testament – semantisch Teil der biblischen Tradition ist. Ist er es aber auch hermeneutisch? »Der Koran« ist ja nicht nur historisches Faktum, er ist auch Konstrukt unserer Forschungstradition, seine sehr unterschiedlichen Lektüren bilden zumeist Schulmeinungen ab, die ihm die Zugehörigkeit zu der im Judentum und Christentum entwickelten biblischen Hermeneutik verweigern – eine exklusivistische Position, die sein Verständnis blockiert. Liest man den Koran ohne den Verständnisfilter der monotheistischen Hermeneutik, einfach im Wortsinn, so fallen entscheidende biblisch nicht attestierte Erzählelemente und Argumentationen als fremd aus dem Rahmen. Gerade sie erweisen sich aber bei Anlegung des für die Spätantike typischen Analysekonzepts der Typologie als substantielle Bausteine der sich im Koran spiegelnden Konstruktion einer Gemeindeidentität. Typologie begegnet bei der Hörergemeinde, die biblische Begebenheiten nach-erlebt und sich so selbst zu einem neuen Gottesvolk entwickelt. Typologie begegnet auch beim Verkünder, wenn dieser Mekkas Erwählung zum Geburtsort der neuen Glaubensgemeinschaft als die Erfüllung einer Verheißung Abrahams erkennt. Nicht allein Teilhabe an den biblischen Wissensbeständen, auch Teilhabe an der biblischen Hermeneutik muss dem Koran zuerkannt werden, will man ihn als eine Schrift auf Augenhöhe zu den anderen würdigen. Angelika Neuwirth wendet sich diesen Fragen mit bereits in den Nachbarphilologien erprobten Kriterien (Typologie, Allegorie, Anziehung versus Abstoßung) zu. Sie berücksichtigt dabei auch erstmals die Tatsache der mündlichen Komposition des Koran und damit die Gleichzeitigkeit der Entstehung von Text und Gemeinde.
Personen

Angelika Neuwirth Studium der Arabistik, Islamwissenschaft und Klassischen Philologie in Berlin, Göttingen, Teheran, Jerusalem und München; 1972 Promotion; 1977 Habilitation; 1977–1983 Lehrtätigkeit an der University of Jordan; seit 1991 Inhaberin des Lehrstuhls für Arabistik an der Freien Universität Berlin; 1994–2000 Direktorin des Orient-Instituts in Beirut und Istanbul; Leiterin des Forschungsprojekts »Figurationen des Märtyrers« am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin; seit 2007 Leiterin des Forschungsprojekts »Corpus Coranicum« Dokumentierte Edition und literaturwissenschaftlich-historischer Kommentar« an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften; seit 2012 Leiterin des Projekts »Von Logos zu Kalam« am Sonderforschungsbereich 980 »Episteme in Bewegung« an der Freien Universität Berlin.

Jürgen Kampmann ist Professor für Kirchenordnung und Neuere Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen.

Paul Silas Peterson Born 1979; theological studies in Portland, Edinburgh and Tübingen; Privatdozent Dr. theol., Protestant Faculty of Theology of the University of Tübingen.

Rezensionen

Folgende Rezensionen sind bekannt:

In: Salzburger Theologische Zeitschrift — 23 (2018), S. 144
In: Frankfurter Rundschau — 11. Juli 2017, S. 27 (Dirk Pilz)
In: Scienzz.de — http://www.scienzz.de/magazin/art11934.html (8/2017) (Josef Tutsch)
In: Orientalistische Literaturzeitung — 113 (2018), S. 140–144 (Ferdinand Ahuis)