Rechtswissenschaft

Florian Eichel

Der »funktionsarme Aufenthalt« und die internationale Zuständigkeit für Erbscheinverfahren

Jahrgang 85 () / Heft 1, S. 76-105 (30)
Publiziert 20.01.2021

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Die Europäische Erbrechtsverordnung hat die gerichtliche Zuständigkeit für eine Erbsache, die mehrere Staaten berührt, in einem Mitgliedstaat konzentriert, um ineffiziente Parallelverfahren zu unterbinden. Nachdem der EuGH in der Rs. Oberle (C-20/17) entschieden hat, dass diese Zuständigkeit auch für Erbscheinverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt, wurde kritisiert, das europäische Recht sei bürgerfern. Das richtet sich an Fälle, in denen Erblasser erst spät im Leben in einen anderen Staat verzogen sind, sodass Erbscheinverfahren dort durchzuführen wären, selbst wenn sich die Erben und der Großteil des Vermögens in einem anderen Mitgliedstaat befinden. Der Beitrag zeigt auf, dass eine flexible Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts kein Lösungsweg ist, aber die EuErbVO Raum für Ausweichzuständigkeiten lässt. Das gilt besonders für unstreitige Erbfälle, die trotz Auslandsbezugs einfach gelagert sind. Sie standen außerhalb des Fokus des Gesetzgebers, sind aber besonders auf eine bürgernahe Justiz angewiesen. Dieser Fälle hat sich der EuGH erst jüngst in den Rs. WB (C-658/17) und EE (C-80/19) angenommen und dabei weitere Spielräume für eine bürgernahe Abwicklung internationaler Erbsachen aufgezeigt.
Personen

Florian Eichel Geboren 1979; Studium der Rechtswissenschaften in Passau und Tours; 2007 Promotion; Forschungsaufenthalte in Den Haag und Rhode Island (USA); Rechtsreferendariat in Frankfurt am Main; Rechtsanwaltsstation bei einer internationalen Kanzlei im Bereich Litigation. WiSe 2013/14 Lehrstuhlvertretung an der WWU Münster; seit 2009 Akademischer Rat an der Universität Passau; Mai 2014 Habilitation in den Fächern Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung.