Albert Hirschman ist ein Grenzgänger, der zwischen ökonomischer und politischer Theorie zu Hause ist. Weit über sein berühmtes Standardwerk Exit, Voice and Loyality (deutsch: Abwanderung und Widerspruch) hinaus widmet er sich den Zusammenhängen zwischen Sozialstruktur und Semantik. Die Autoren der hier gesammelten Beiträge untersuchen, welche Bedeutung sein Ansatz für Fragen der wissenschaftlichen Erkenntnis und der politischen Steuerung moderner Gesellschaften hat.
Albert Hirschman hat in seinem bewegten Leben viele Grenzen überschritten. Dies gilt zum einen buchstäblich: für sein Engagement im europäischen Widerstand, für seine Emigration in die USA, für seine Auslandsaufenthalte als Entwicklungsökonom und schließlich für seine zahlreichen Reisen als international anerkannter und mehrfach geehrter Sozialwissenschaftler. Aber auch im übertragenen Sinne hat Hirschman Grenzen überschritten: Verwurzelt in den links-intellektuellen Traditionen Kontinentaleuropas, erarbeitet er sich die liberale Perspektive angelsächsischer Ökonomik; als Experte für Fragen wirtschaftlicher Entwicklung wendet er sich allgemein sozialwissenschaftlichen Forschungsproblemen zu und gehört schließlich zu den ganz wenigen Ökonomen des 20. Jahrhunderts, die sich ernsthaft mit dem Zusammenhang zwischen Sozialstruktur und Semantik beschäftigen. Aus der praktischen Politikberatung kommend, analysiert Hirschman als Theoretiker nicht nur soziale Mechanismen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, sondern geht explizit auch der Frage nach, welche Eigenschaften bestimmte Denkmuster und Argumentationsstrukturen aufweisen. Vor diesem Hintergrund diskutieren die Beiträger dieses Bandes verschiedene Aspekte des Hirschmanschen Werkes, u.a. das Verhältnis von Leidenschaften und Interessen sowie Abwanderung und Widerspruch, die Nachhaltigkeit öffentlichen Engagements, die Rhetorik der Reaktion sowie seine Methode der Selbstsubversion.
Inhaltsübersicht:
Vorwort der Herausgeber
I. EinleitungIngo Pies: Theoretische Grundlagen demokratischer Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik: Der Beitrag von Albert Hirschman
II. TagungsbeiträgeBirger P. Priddat: Leidenschaftliche Interessen: Hirschmanns Theorem im Blickpunkt alternativer Rekonstruktionen
Nils Goldschmidt (Kommentar)
Christoph Lütge (Kommentar)
Andrea Maurer: Abwanderung und Widerspruch: Grenzüberschreitungen zwischen Soziologie und Ökonomie?
Oliver Falck (Kommentar)
Birger Nerré (Kommentar)
Christoph Henning: Zur Nachhaltigkeit privaten und öffentlichen Engagements. Eine methodenkritische Rekonstruktion von Engagement und Enttäuschung
Michael Schmid (Kommentar)
Guido Schröder (Kommentar)
Walter Reese-Schäfer: Albert Hirschmans Studie zur »Rhetorik der Reaktion«
Alexander Brink (Kommentar)
Detlef Aufderheide (Kommentar)
Harald Bluhm: Selbstsubversion als Methode?
Martin Leschke (Kommentar)
Andreas Suchanek (Kommentar)
III. EpilogThomas Döring: Albert Hirschmans ökonomische Perspektive - Grenzen überschreitend oder zwischen allen Stühlen?