Das Verhältnis von Spekulation und Vorstellung in Hegels Enzyklopädie ist von einer eigentümlichen Spannung gekennzeichnet. Spekulation ist nicht nur die kritische Reinigung der Vorstellung von ihren Irrtümern, sondern zugleich ihre Rechtfertigung. Diesem Zusammenspiel gehen die Beiträge des Tagungsbandes im Detail nach.
Das Verhältnis von Spekulation und Vorstellung in Hegels enzyklopädischem System ist von einer eigentümlichen Spannung gekennzeichnet. Spekulation ist nicht nur die kritische Reinigung der Inhalte der Vorstellung von ihren Vorurteilen und Irrtümern, sondern zugleich Anerkennung und Rechtfertigung des endlichen, vorstellenden Denkens innerhalb seiner Grenzen, sowohl auf dem Gebiet der Erkenntnistheorie als auch der Religion. Wie »überzeugt« man aber die Vorstellung, ihren Standpunkt aufzugeben und auf den Standpunkt der Spekulation zu wechseln? Soll die Spekulation tatsächlich die Vorstellung ganz und endgültig in die Form des Begriffs überführen? Wird die Vorstellung dabei
verwandelt, sodass sie sich zu der Wahrheit, die sie eigentlich schon in sich trägt, erhebt, oder muss sie sogar
getilgt werden, um dadurch Platz für eine
vorstellungslose Wahrheit zu schaffen? Wie verhalten sich Spekulation und Vorstellung zueinander in verschiedenen Teilen des enzyklopädischen Systems, in der
Logik und in den Sphären des subjektiven, des objektiven und des absoluten Geistes? Ist die Vorstellung ein Schlüsselbegriff nur der Psychologie und der Religionsphilosophie, wo sie anscheinend ihren natürlichen Ort hat, oder des ganzen enzyklopädischen Systems? Die hier skizzierten Fragen werden in den Beiträgen des Tagungsbandes kritisch überprüft und auf ihre Implikationen hin durchdacht. Die Vielfalt der dabei entstandenen Interpretationsvorschläge gibt den aktuellen Stand der Debatte wieder.
Inhaltsübersicht:
Kazimir Drilo: Einleitung: Das Zusammenspiel von Spekulation und Vorstellung -
Markus Gabriel: Hegels Begriff der Vorstellung und das Form-Inhalt-Problem -
Rainer Schäfer: Von der Vorstellung zum Gedanken und zurück? Die Analyse von Namen und Gedächtnis in Hegels Psychologie -
Christian Georg Martin: Semantische Bestimmtheit. Eine Hegelsche Perspektive -
Franz Knappik: Hegel über Vorstellung und repräsentationalen Gehalt -
Gunnar Hindrichs: Kategorienrahmen und Begriffswandel -
Christoph Halbig: Vorstellung und Denken als epistemologische und als metaphilosophische Kategorien bei Hegel -
Anton Friedrich Koch: Vorstellung und absoluter Geist -
Axel Hutter: Hegels Lehre vom absoluten Geist -
Kazimir Drilo: Religiöse Vorstellung und philosophische Erkenntnis -
Jan Rohls: Christentum und Philosophie beim späten Hegel